Wenn du dich fragst, wo die meisten Rumänen in Deutschland leben, dann kommt dir vielleicht Oer-Erkenschwick in den Sinn - und zu Recht. Die kleine Stadt im Ruhrgebiet hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten zu einem der wichtigsten Anlaufpunkte für rumänische Zuwanderer entwickelt. Doch sie ist nicht der einzige Ort. Wer sich für die Verteilung der rumänischen Bevölkerung in Deutschland interessiert, muss die großen Städte genauso betrachten wie die kleineren Kommunen, die sich zu echten Zentren der rumänischen Kultur entwickelt haben.
In Oer-Erkenschwick leben heute über 3.500 Menschen mit rumänischem Pass - das sind mehr als 20 Prozent der gesamten Einwohnerzahl. Keine andere Stadt in Deutschland hat einen so hohen Anteil an Rumänen. Die ersten Rumänen kamen in den 1990er-Jahren, oft als Saisonarbeiter in der Baubranche oder in der Landwirtschaft. Später folgten Familien, die sich hier niederließen, weil sie Arbeit fanden, günstige Wohnungen und eine offene Gemeinschaft vorfanden.
Heute gibt es in Oer-Erkenschwick drei rumänische Supermärkte, eine rumänische Kirche, einen Verein für rumänische Kultur und sogar eine rumänische Tageszeitung, die wöchentlich verteilt wird. Die Schule hat einen bilingualen Unterricht für Kinder mit rumänischem Hintergrund eingeführt. Die Stadt hat sich nicht nur verändert - sie hat sich neu erfunden. Viele Rumänen, die hier aufgewachsen sind, arbeiten heute als Lehrer, Krankenschwestern oder in der Verwaltung. Sie sind nicht nur Zuwanderer - sie sind Teil der Stadt.
Oer-Erkenschwick ist die Spitze, aber nicht die einzige Insel. In Berlin leben rund 85.000 Rumänen - die größte Einzelgemeinschaft im Land. Hamburg hat etwa 45.000, München 38.000 und Köln 32.000. Doch diese Zahlen sind irreführend. In den Großstädten sind Rumänen oft unter einer Vielzahl anderer Nationalitäten verstreut. In Oer-Erkenschwick hingegen bilden sie eine klare, sichtbare Gruppe. Sie bestimmen das Stadtbild, die Geschäfte, die Gespräche auf der Straße.
In Nordrhein-Westfalen insgesamt leben über 200.000 Rumänen - das ist mehr als in jedem anderen Bundesland. Dicht gefolgt von Bayern und Baden-Württemberg. Die Gründe dafür sind einfach: Nordrhein-Westfalen hat viele Industrie- und Logistikstandorte, die seit den 2000er-Jahren nach Arbeitskräften suchten. Rumänien trat 2007 der EU bei - und mit der Freizügigkeit kamen die Menschen. Viele kamen mit wenig Geld, aber mit großer Bereitschaft zu arbeiten. Sie fanden Jobs in Fabriken, in der Pflege, im Handwerk.
Die Ruhrregion war einst das industrielle Herz Deutschlands. Als die Kohle und Stahlindustrie schrumpften, blieben große, günstige Wohnungen und leerstehende Fabrikhallen. Diese wurden zu einem Anziehungspunkt für Menschen, die neu anfangen wollten. Rumänen, die oft mit geringem Einkommen kamen, konnten hier eine Wohnung finden, die sie sich in München oder Frankfurt nie leisten konnten. Die Arbeitsvermittlungen in Dortmund, Bochum und Gelsenkirchen suchten aktiv nach Personal - und Rumänen waren willkommen.
Dazu kam die Sprache. Viele Rumänen sprechen schon vor der Einwanderung ein bisschen Deutsch - oft durch Fernsehen, Musik oder Familienmitglieder, die früher in Deutschland gearbeitet hatten. Die Nähe zur rumänischen Sprache im Vergleich zu anderen osteuropäischen Sprachen macht es einfacher, sich zurechtzufinden. Und dann ist da noch die soziale Sicherheit: Wer einmal in Oer-Erkenschwick angekommen ist, kennt jemanden, der jemanden kennt. Ein Netzwerk entsteht - ohne Behörden, ohne Apps, einfach durch Vertrauen.
Die Kinder und Enkel der ersten Einwanderer wachsen heute in Deutschland auf - mit rumänischen Namen, rumänischen Gerichten und oft zweisprachig. Sie sprechen Deutsch wie Muttersprachler, aber hören zu Hause Rumänisch. Viele besuchen rumänische Kirchen, feiern Ostern mit traditionellen Eiermalereien und essen Sarmale am Sonntag. Gleichzeitig gehen sie zur deutschen Schule, spielen Fußball im Verein und bewerben sich um Ausbildungsplätze.
Studien der Universität Duisburg-Essen zeigen, dass über 70 Prozent der rumänisch-deutschen Jugendlichen in NRW eine Ausbildung beginnen - ein Wert, der über dem bundesweiten Durchschnitt liegt. Sie sind nicht die Gruppe, die von Sozialhilfe lebt. Sie sind die, die in den Betrieben arbeiten, die in den Krankenhäusern helfen, die in den Kitas betreuen. Sie sind unsichtbar geworden - nicht weil sie verschwunden sind, sondern weil sie integriert sind.
Es gibt auch andere Orte, die auffallen. In der Nähe von Nürnberg leben viele Rumänen in der Gemeinde Hersbruck - vor allem in der Lebensmittelindustrie. In der Nähe von Stuttgart arbeiten viele in der Automobilzulieferung. In Sachsen, besonders in Chemnitz und Dresden, gibt es kleine, aber wachsende Gemeinschaften, die oft über Kirchen und Vereine organisiert sind.
Aber keiner dieser Orte hat die kritische Masse wie Oer-Erkenschwick. Keiner hat so viele rumänische Geschäfte, so viele rumänische Veranstaltungen, so viele rumänische Eltern, die sich für die Schule engagieren. Es ist nicht nur eine Frage der Zahl - es ist eine Frage der Präsenz. Hier ist Rumänien nicht nur vertreten. Hier ist es zu Hause.
Seit der Pandemie hat sich vieles verändert. Viele Rumänen, die früher als Saisonarbeiter in der Landwirtschaft gearbeitet haben, sind in die städtischen Jobs gewechselt - in der Logistik, im Einzelhandel, in der Pflege. Die Löhne sind gestiegen, die Arbeitsbedingungen haben sich verbessert. Gleichzeitig haben viele Familien ihre Kinder in die deutsche Schule geschickt, statt sie nach Rumänien zu schicken.
Die rumänische Regierung hat in den letzten Jahren versucht, ihre Bürger zurückzulocken - mit Steuervergünstigungen und Förderprogrammen. Aber die meisten, die einmal in Deutschland angekommen sind, wollen nicht mehr zurück. Sie haben ihre Kinder hier aufgezogen. Sie haben eine Wohnung gekauft. Sie haben Freunde gefunden. Sie haben ein Leben gebaut - nicht als Gast, sondern als Bürger.
Oer-Erkenschwick wird weiter wachsen - nicht unbedingt in der Zahl der Einwohner, aber in der Integration. Die zweite Generation steht vor der Entscheidung: Soll ich in Deutschland bleiben? Soll ich nach Rumänien ziehen? Oder vielleicht in ein anderes Land? Viele wählen Deutschland - weil es ihnen Sicherheit gibt. Weil sie hier arbeiten können. Weil sie ihre Kinder in einer Sprache aufwachsen lassen, die sie beherrschen.
Die rumänische Gemeinschaft in Deutschland ist kein Phänomen der Vergangenheit. Sie ist Teil der Gegenwart. Und sie wird die Zukunft prägen - nicht als Minderheit, sondern als Teil der Gesellschaft. In Oer-Erkenschwick ist das schon jetzt sichtbar. Und es wird sich weiter ausbreiten.
Oer-Erkenschwick hat günstige Wohnungen, viele Arbeitsplätze in der Industrie und Logistik, und eine starke, schon lange bestehende rumänische Gemeinschaft. Die ersten Einwanderer fanden hier Unterstützung, und ihre Familien folgten. Heute ist es ein Ort, an dem Rumänen sich zu Hause fühlen - mit eigenen Geschäften, Vereinen und Sprachangeboten.
Im Jahr 2025 leben etwa 1,2 Millionen Menschen mit rumänischem Pass in Deutschland - das ist die größte Gruppe unter den EU-Bürgern. Die meisten kommen aus den Regionen Moldau, Oltenien und Transsilvanien. Rund 40 Prozent leben in Nordrhein-Westfalen, Bayern und Baden-Württemberg.
Ja, die meisten Rumänen, die seit mehr als zehn Jahren in Deutschland leben, sprechen fließend Deutsch. Viele haben Sprachkurse besucht, andere haben es durch Arbeit und Alltag gelernt. Die jüngere Generation ist oft zweisprachig - sie sprechen zu Hause Rumänisch und in der Schule oder bei Freunden Deutsch.
Einige Rumänen erleben Vorurteile - besonders in der Anfangszeit oder in Regionen mit wenig Erfahrung mit Zuwanderung. Aber in Orten wie Oer-Erkenschwick, Dortmund oder Köln ist die Akzeptanz hoch. Viele Deutsche schätzen die Arbeitsmoral, die Familie und die Zuverlässigkeit der rumänischen Gemeinschaft. Die meisten Konflikte liegen in der Sprache oder bei Missverständnissen - nicht in der Herkunft.
Rumänen sind Bürger des Landes Rumänien - sie sprechen Rumänisch, leben in Städten und Dörfern und gehören zur Mehrheitsgesellschaft. Roma sind eine ethnische Minderheit, die in vielen Ländern Europas lebt, auch in Rumänien. Sie haben ihre eigene Sprache, Kultur und Geschichte. Viele Rumänen sind nicht Roma - und viele Roma sind nicht Rumänen. Die Verwechslung ist verbreitet, aber falsch.
Gunnar Bye
20 12 25 / 08:24Oer-Erkenschwick ist doch der Wahnsinn 😂 Ich hab da ne Tante, die seit 2005 da lebt und sagt, es sei wie Rumänien, aber mit besseren Straßen. 3 Supermärkte? Ja klar, und die sind besser als die in Bukarest!