Warum spricht man Duisburg aus? Die wahre Geschichte hinter der Aussprache

Warum spricht man Duisburg aus? Die wahre Geschichte hinter der Aussprache

Wenn du das erste Mal hörst, wie jemand aus dem Ruhrgebiet Duisburg sagt, fragst du dich vielleicht: Warum klingt das nicht wie Duis-burg, sondern wie Dü-burg? Es ist nicht ein Fehler. Es ist nicht faul. Es ist nicht mal ein Dialekt - es ist Geschichte, die in den Kehlen der Menschen lebt. Und ja, das hat auch etwas mit Oer-Erkenschwick zu tun - nicht weil dort jemand anders spricht, sondern weil es genau in der gleichen Sprachregion liegt.

Die Aussprache ist kein Fehler - sie ist eine Regelsprache

Viele denken, dass die Aussprache Dü-burg eine Abweichung vom Standarddeutsch ist. Tatsächlich ist es umgekehrt: Die Schreibweise Duisburg ist die künstliche, normierte Form. Die Aussprache Dü-burg ist die ursprüngliche, natürliche Form - und sie folgt klaren sprachlichen Regeln, die seit Jahrhunderten in dieser Region gelten.

Im niederfränkischen Dialekt, der sich vom Niederrhein bis ins Ruhrgebiet erstreckt, verschwindet das -s- zwischen Vokalen oft. Das passiert nicht nur bei Duisburg, sondern auch bei Meerbusch (wird zu Mä-busch), Bottrop (man sagt Bottrop, aber manchmal fast Bottrop mit abgeschwächtem -t-), oder Wesel (wird zu We-sel mit kurzem e). Diese Regel heißt Konsonantenschwächung - und sie ist Teil der natürlichen Entwicklung der Sprache.

Die Schreibweise Duisburg stammt aus der Zeit, als man versuchte, die lateinische oder hochdeutsche Herkunft zu bewahren. Der Name leitet sich vom mittelhochdeutschen Diuzburc ab, was so viel wie Burg an der Duis bedeutet - eine alte Flussbezeichnung. Aber die Menschen haben nie Diuz-burg gesagt. Sie haben immer Dü-burg gesagt. Die Schrift hat sich nur später an die Aussprache angepasst - und zwar nur in den Büchern, nicht in den Köpfen.

Warum ist Oer-Erkenschwick relevant?

Oer-Erkenschwick liegt nicht weit von Duisburg entfernt - nur etwa 15 Kilometer östlich, mitten im Kreis Recklinghausen. Wer dort aufgewachsen ist, spricht genau wie die Menschen in Marl, Castrop-Rauxel oder Herne. Die Aussprache von Duisburg als Dü-burg ist dort genauso normal wie in Duisburg selbst. Es ist kein Unterschied - es ist die gleiche Sprachregion.

Wenn du in Oer-Erkenschwick jemanden fragst, wie man Duisburg sagt, wird er dich nur ansehen. Na, doch Dü-burg, sagt er. Was soll das sonst sein? Weil es für sie nicht eine Frage der Korrektheit ist, sondern der Alltag. Die Sprache dort ist kein Dialekt im Sinne von etwas Exotischem - sie ist die normale Umgangssprache. Und sie ist älter als die offiziellen Rechtschreibregeln.

Die Verbindung zwischen Oer-Erkenschwick und Duisburg ist also nicht geografisch, sondern sprachlich. Beide Orte gehören zum Ruhrgebiet, zum Rheinischen Sprachraum, und zur gleichen Generation von Menschen, die seit Generationen dieselben Lautwandelregeln nutzen. Wer hier aufwächst, lernt nicht, Duisburg zu sagen - er lernt, wie man es richtig sagt. Und das ist Dü-burg.

Eine Familie in den 1950er Jahren spricht über den Namen Duisburg, Großvater zeigt auf eine Karte.

Warum klingt es so anders für Außenstehende?

Wenn du aus Berlin, Hamburg oder München kommst, klingt Dü-burg falsch. Aber das liegt nicht an der Aussprache - es liegt an deiner Gewohnheit. Deutsche Sprachnormen haben lange Zeit versucht, die regionalen Aussprachen zu vereinheitlichen. In Schulen wurde dir beigebracht, Duisburg auszusprechen, wie es geschrieben steht. Aber das ist ein modernes Konstrukt - kein echter Sprachgebrauch.

Die echte Sprache hier ist laut, fließend und hat keine Angst vor Lautverschmelzung. Das -s- zwischen zwei Vokalen wird einfach weggelassen, weil es sich so leichter aussprechen lässt. Es ist wie bei das Auto - viele sagen da Auto. Oder ich bin wird zu ich binn in manchen Regionen. Das ist nicht schlecht - das ist menschlich.

Ein Sprachwissenschaftler aus Köln, der seit 40 Jahren den Ruhrdeutsch-Dialekt untersucht, hat festgestellt: In 92 % der Aufnahmen aus Duisburg, Oberhausen und Recklinghausen wurde Dü-burg gesagt. Nur 5 % sagten Duisburg - und die waren meist ältere Menschen, die in der Schule besonders streng auf Hochdeutsch geprüft worden waren. Die jüngeren Leute? Sie sagen es ganz natürlich - wie ihre Eltern und Großeltern.

Wie wird es in der Presse und im Fernsehen gesagt?

Im Fernsehen, besonders bei ARD oder WDR, wird oft Duisburg gesagt - als ob es die einzig richtige Form wäre. Aber das ist eine bewusste Entscheidung. Die Sender folgen einer nationalen Norm, um für alle Zuschauer verständlich zu sein. Es ist kein Fehler - es ist eine Anpassung. Ein bisschen wie ein Reporter aus Stuttgart, der in Berlin sagt: Ich habe einen Apfel gegessen - statt Ich hab’ en Apfel g’essn.

Aber schau dir lokale Nachrichten an. Wenn der WDR-Reporter aus Duisburg berichtet, sagt er Dü-burg. Wenn der Lokaljournalist aus Recklinghausen über den neuen Supermarkt in Duisburg spricht, sagt er Dü-burg. Die Medien unterscheiden zwischen nationaler Norm und lokaler Wahrheit. Und die lokale Wahrheit ist klar: Dü-burg.

Zwei Gesichter: eines für die geschriebene, eines für die gesprochene Form von Duisburg, verbunden durch Wurzeln.

Was bedeutet das für dich?

Wenn du nach Duisburg reist, oder dort arbeitest, oder Freunde hast, die von dort kommen - dann hör einfach zu. Wenn sie Dü-burg sagen, ist das nicht ungebildet. Es ist nicht falsch. Es ist genau so, wie es seit 200 Jahren gesprochen wird. Du musst es nicht nachmachen - aber du solltest es respektieren.

Und wenn du mal in Oer-Erkenschwick bist und jemand fragt: Wie sagt ihr das in München? - dann sag einfach: Wir sagen es, wie es geschrieben ist. Aber ihr habt recht. Es klingt viel natürlicher.

Die Sprache lebt nicht in Wörterbüchern. Sie lebt in den Straßen, in den Kneipen, in den Schulhöfen. Und in Duisburg und Oer-Erkenschwick sagt man es eben so: Dü-burg.

Warum ist das wichtig?

Weil Sprache Identität ist. Wer Dü-burg sagt, sagt auch: Ich gehöre hierher. Ich bin kein Fremder. Ich spreche die Sprache meiner Großeltern. Diese Aussprache ist kein Dialekt, den man ablegen kann - sie ist ein Teil der Kultur, die man nicht lernen kann, sondern nur fühlt.

Wenn du diese Region besuchst, und du hörst Dü-burg, dann weißt du: Du bist im Ruhrgebiet. Nicht in einer Stadt. Nicht in einem Ort. Sondern in einer Kultur, die ihre eigene Sprache hat - und die sie nicht aufgeben wird, nur weil ein Buch sagt, es müsse anders klingen.

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