NRW Urvölker: Wer lebte einst in Nordrhein-Westfalen?

NRW Urvölker: Wer lebte einst in Nordrhein-Westfalen?

Wenn du dich schon mal gefragt hast, wer eigentlich früher dahin spaziert ist, wo heute Menschen im Feierabendverkehr feststecken oder im Ruhrgebiet dampfende Currywürste genießen, dann bist du hier genau richtig. Nordrhein-Westfalen ist eine Ecke mit ziemlich viel Geschichte unter dem Asphalt. Tatsächlich haben hier schon Völker ihre Spuren hinterlassen, die kaum noch einer kennt – und das, was sie hinterließen, wärmt noch heute so manches Heimatgefühl.

Erste Spuren: Von Steinzeitmenschen bis zu den ersten Siedlungen

Lass dich nicht täuschen: Lange bevor Köln seine Domspitzen bekam und Düsseldorf zur Modeschau wurde, war das Land zwischen Rhein und Weser kein leerer, langweiliger Flecken. Schon vor rund 400.000 Jahren haben hier die ersten Menschen gehaust – vermutlich Homo heidelbergensis, der bei seinen Streifzügen durch NRW Knochen und Werkzeuge fallen ließ. Richtig fassbar wird es in der Altsteinzeit (Paläolithikum), wo archäologische Funde zeigen, wie kleine Jägergruppen Jagdlager bei Mettmann (ja, der berühmte Neandertaler!) aufschlugen. Der Neandertaler ist kein Mythos; sein namensgebender Fund wurde 1856 in einer Höhle nahe Düsseldorf entdeckt und verrät viel über unsere prähistorischen Nachbarn.

Mit der Jungsteinzeit (ab etwa 5500 v. Chr.) kommt dann endlich Bewegung ins Spiel: Menschen bauen kleine Dörfer, domestizieren Tiere und beginnen, Felder zu bestellen. Am Niederrhein tauchten erste Bauern auf, die nicht nur Getreide anbauten, sondern auch Keramik herstellten. Einige aufregende Funde gab’s bei Herne und im Sauerland – Töpfe, Steinbeile und sogar Gräber, die zeigen, dass die Gegend schon damals alles andere als unbedeutend war. Schon aus der Bronzezeit (ab ca. 2200 v. Chr.) findet man in NRW reich verzierte Grabfunde, Messer, Schmuck oder Kupferäxte, zum Beispiel am Hellweg oder an den Hängen der Eifel.

Kelten in NRW: Händler, Handwerker, Herrscher

Mitten in die Eisenzeit – ungefähr ab dem 8. Jahrhundert vor Christus – tauchen die Kelten auf. Ja, genau: Diese geheimnisvollen Typen, die angeblich Zaubertränke brauten (wer kennt’s nicht aus den berühmten Comics?). Tatsächlich hatten die Kelten im Westen NRWs einige Siedlungszentren. Besonders bekannt ist die Siedlung an der Erft rund um Dormagen. Die Kelten waren technisch fix, haben mit Eisen gearbeitet, Salz abgebaut und beeindruckende Hügelgräber hinterlassen, zum Beispiel bei Bonn oder im Siebengebirge. Ihre Dörfer bestanden meist aus Holz- und Lehmhäusern, oft mit stabilen Wallanlagen drumherum.

Und jetzt mal Hand aufs Herz: Kelten waren echte Handelsprofis. Sie betrieben Münzprägung im Raum Aachen und Geilenkirchen, handelte mit Bernstein, Metallen und Keramik quer durchs Land. Wegen ihrer ausgeklügelten Handelswege kamen auch exotische Güter in die heutigen NRW-Regionen. Es gab große Feste, kultische Stätten wie auf dem Dünsberg und rätselhafte, spiralförmige Schmuckstücke – über 600 Fundorte belegen die massive Präsenz keltischer Gruppen westlich des Rheins. Die Kelten mussten sich aber irgendwann nach Osten verdrängen, weil ein neues Volk das Spielfeld betrat.

Germanen: Die Ureinwohner zwischen Rhein, Lippe und Weser

Germanen: Die Ureinwohner zwischen Rhein, Lippe und Weser

Die Germanen tauchen ungefähr ab 500 v. Chr. auf der Bildfläche auf und werden mit ihrem wilden Ruf bis heute gerne mit langen Bärten und dicken Streitäxten dargestellt. Was steckt aber wirklich dahinter? Anders, als viele denken, waren die Germanen in NRW kein einheitliches Volk, sondern bestanden aus verschiedenen Stämmen. Im Westen hausten die Sugambrer, weiter südlich die Ubier, und im Osten schlugen die Brukterer ihre Lager auf. Ihre Namen tauchen zuerst in den Schriften römischer Historiker wie Tacitus oder Caesar auf.

Machen wir es konkret: Germanische Dörfer lagen meist auf Anhöhen oder zwischen Flussläufen, geschützt durch einfache Holzpalisaden. Die Menschen lebten in Langhäusern, zusammen mit ihrem Vieh. Typische Stämme aus NRW waren unter anderem die Tencterer (am Niederrhein) und die Chatten (im Norden von Hessen und dem Sauerland). Jährliche Versammlungen, ein ausgeprägtes Ehrgefühl und feste Rangordnungen prägten ihre Gesellschaft. Sie kannten schon demokratische Züge, wählten ihre Anführer und führten sogar „Volksversammlungen“ durch, bei denen Entscheidungen diskutiert wurden. Besonders spannend: Germanische Heiligtümer wie der berühmte Harzberg oder heilige Haine bei Münster, die bis zur Christianisierung genutzt wurden.

Die Germanen bauten effektive Ringwälle, von denen einige sogar heute noch sichtbar sind, etwa die Ruinen auf dem Kapellenberg bei Rösrath. Kämpfe gab es reichlich – ob untereinander oder gegen römische Truppen, die versuchten, das „freie Germanien“ unter ihre Kontrolle zu bringen. Ausgrabungen in Kalkriese oder Xanten öffnen ein Fenster in diese Zeit, mit Waffen, Öllampen oder Münzen, die klar belegen, wie das Leben vor über 2000 Jahren bei unseren Vorfahren aussah.

Die Römer und ihr Einfluss: Legionäre am Rhein

Die Römer: Unverkennbar und alles andere als nur auf Wein und Badehäuser fixiert. Um 50 v. Chr. stößt Julius Caesar nach Gallien vor und erkennt schnell, wie wichtig der Rhein als Grenze zu Germanien ist. Im heutigen NRW entstanden damals einige der wichtigsten römischen Städte nördlich der Alpen: Colonia Claudia Ara Agrippinensium – besser bekannt als Köln – wurde aus einer einfachen Flussüberquerung ein römisches Machtzentrum und als Hauptstadt der Provinz Germania Inferior weltberühmt.

Eingefleischte Römer bauten Straßen, Brücken, Wagen, Villen und errichteten Kastelle wie in Xanten oder Bonn. Diese Kastelle (Militärlager) sollten nicht nur Germanen abhalten, sondern auch als Zentren der neuen Kultur dienen. Mithras-Tempel, Thermen oder Amphitheater konnten mit den Anlagen in Südeuropa mithalten. Im römischen Köln lebten gut 20.000 Menschen – damals eine echte Großstadt! Römer brachten auch neue Berufe und Handwerkskünste: Glasmacher, Keramiker, Metzger und sogar Bäcker arbeiteten hier, wie zahlreiche Werkstättenfunde aus dem Bonner Stadtgebiet zeigen.

Doch der römische Einfluss ging noch viel weiter. Sie mischten sich mit den Einheimischen, förderten den Handel und sorgten für einen rapiden technischen Sprung. Dank römischer Aquädukte kam sauberes Wasser erstmals direkt in Häuser und Bäder. Im Umland wurden Weinberge angelegt, die bis heute in bestimmten Ecken gepflegt werden. Ein römischer Meilenstein, gefunden in der Eifel, beweist, wie weit ihr Straßennetz gereicht hat – selbst in entlegene Moorgebiete, wo heute Kühe grasen. Klar, irgendwann setzten sich die Germanen wieder durch, als das Römische Reich ins Wanken kam. Aber NRW bleibt bis heute geprägt von Spuren römischer Baukunst und Verwaltung.

Vom Frühmittelalter bis heute: Die Vielfalt lebt weiter

Vom Frühmittelalter bis heute: Die Vielfalt lebt weiter

Mit dem Zusammenbruch des Römischen Reichs begann eine wilde Achterbahnfahrt neuer Völker, Stämme und Ideen. Fränkische Eroberer gründen kleine Fürstentümer, wie das Herzogtum Berg oder das Bistum Paderborn. Die Sachsen (ja, dieselben, die später mit Karl dem Großen aneinandergeraten) schlagen sich durch die Wälder und Flussauen Ostwestfalens. Die berühmte Varusschlacht wird übrigens gerne diskutiert: Sie war ein riesiges Gemetzel, in dem germanische Stämme römische Legionen vernichteten – vermutlich irgendwo zwischen Teutoburger Wald und Lippe. Historisch fassbar, aber der genaue Ort bleibt bis heute ein Rätsel.

Völker vermischen sich. Franken, Sachsen, Altslawen, sogar einzelne Wikingergruppen tauchen auf – NRW entwickelt sich zur Schmelztiegel-Region. Die Bevölkerung wächst. Bauern roden Wälder, Handwerker gründen Zünfte, erste Städte entstehen und die Machtverhältnisse verschieben sich ständig. Was viele nicht wissen: Bis ins 11. Jahrhundert gab es noch Orte mit heidnischen Ritualen, was zeigt, wie langsam sich das Christentum durchsetzte. Heute liegt die Stärke NRWs in dieser Mischung – kulturell, wirtschaftlich und politisch sind überall noch Spuren davon zu sehen. Heimatmuseen, wie das LWL-Museum für Archäologie in Herne, zeigen echte Originalfunde: Vom steinernen Faustkeil, über römische Münzen, bis zum mittelalterlichen Spinnrad.

EpochenBevölkerungsgruppenBekannte Fundorte
AltsteinzeitHomo heidelbergensis, NeandertalerMettmann, Wahner Heide
JungsteinzeitBauern-SippenSauerland, Herne
EisenzeitKeltenDormagen, Siebengebirge
Römische ZeitRömer, Ubier, GermanenKöln, Xanten, Bonn
FrühmittelalterFranken, SachsenPaderborn, Münster

Wer Vergangenheit wirklich erleben will, sollte sich nicht nur auf Bücher verlassen. Tipp: Viele archäologische Parks in NRW bieten Mitmachaktionen – von Ausgrabungen im Rheinland bis zu nachgebauten keltischen Dörfern. Ob in der Römerstadt Xanten, im Germanendorf Oerlinghausen oder beim Steinzeit-Abenteuer im Neandertal: Hier wird Geschichte für Groß und Klein lebendig. Das nächste Mal, wenn du durch NRW läufst, denk daran – jeder Tritt könnte auf tausenden von Jahren Geschichte stehen. Und vielleicht findest du ja zufällig beim Gassigehen den nächsten archäologischen Schatz.

Hinterlassen Sie einen Kommentar